Guterres und der Nachostkonflikt

Der Streit um die Äußerung des UNO-Generalsekretärs Guterres zeigt eine große Naivität derer, die auf einer absoluten Verurteilung der Hamas bestehen und dies mit der moralischen Verwerflichkeit des Überfalls begründen: Der Überfall ist unbedingt verwerflich, aber nur in der Sicht unserer oder der israelischen Moral. Verstehen kann man ihn nur, wenn man mit Guterres sieht, dass er eine Vorgeschichte hat, wenn man ihn also politisch sieht.

Politisch ist der Nahostkonflikt auch deshalb so schwierig, weil Israel als Staat den Palästinensern gegenübersteht, die keine staatlichen Repräsentanten in Verhandlungen schicken können, sondern bei denen die terroristische Miliz Hamas beansprucht, das Volk zu repräsentieren. Staat gegen Miliz eines fremden Volkes, das ist unlösbar, weil die Miliz nur vernichten will, aber sich nicht in einem offenen Kampf der fremden Armee stellt. Wie aber will die israelische Armee eine Miliz bekämpfen, deren Mitglieder sie weithin nicht kennt, außer durch großflächiges Bombardement, bei dem viele Zivilisten umkommen? Ist das moralisch gerechtfertigt?

Noch komplizierter und unlösbarer wird der Nahostkonflikt, wenn man seine religiöse Dimension, die praktisch in den Kommentaren unterschlagen wird, betrachtet: Ist Israel ein Staat der Juden (und anderer) oder ein jüdischer Staat, wozu die Regierung Netanjahu es machen will? Kann Israel also sehen, dass es sein Land (und das Siedlerland) den Palästinensern abgenommen hat, oder hält es das Land für das von seinem „Gott“ verheißene und ihm gegebene? Dann ist eine Verständigung mit den Palästinensern nicht möglich.

Umgekehrt können die Hamaskämpfer als Gotteskrieger in einem heiligen Krieg (Dschihad) keinen Frieden schließen, sondern nur den Feind vernichten. Die beiden Religionen, fanatisch vertreten, machen eine Verständigung, einen Frieden unmöglich. Denn von ihren fanatischen Vertretern wird die Weisheit der Religion missachtet: Es wird vergessen, dass „Gott“ selbst nach der Sintflut eingesehen hat, dass die Vernichtung der Bösen nicht das Problem des Bösen in der Welt löst; „denn das Trachten des Menschen ist böse von Jugend an“ (Gen 8,21). Und der Bund „Gottes“ mit allen Menschen, dessen Zeichen der Regenbogen ist, galt Noach und seinen Söhnen Sem, Ham und Jafet, also ebenso den Juden wie den Arabern.

Alle Menschen sind also böse, nicht nur die Hamaskämpfer – aber keiner ist absolut böse, andernfalls wäre er der Teufel. Also kann und muss man auch böse Taten in einen historischen Kontext stellen (wie Guterres!). Keiner trägt das Kainszeichen an der Stirn, weder ein Israeli noch ein Palästinenser. Aber wie kann man das denen klarmachen, die kämpfen?